Immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage – nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage

Leitsätze:

  1. Nach Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage sind Änderungen der Sach- und Rechtslage zugunsten des Anlagenbetreibers im Gegensatz zu solchen zu seinen Lasten zu berücksichtigen.
  2. Die Auslegung einer raumordnenden Zielfestsetzung durch das Tatsachengericht, die in einem nach Landesplanungsrecht beschlossenen Landesentwicklungsplan enthalten ist und Begriffe der Baunutzungsverordnung verwendet, ist nicht reversibel.
  3. Eine entsprechende Anwendung von § 412 ZPO ist angezeigt, wenn ein Gutachten einem behördlich veranlassten Gutachten gleichzustellen ist. Dies ist insbesondere bei komplexen Verfahren mit umweltrechtlichem Einschlag der Fall.
  4. Das Tatsachengericht darf eine für nicht entscheidungserheblich erachtete Tatsache nicht ohne weitere Tatsachenermittlung seiner Entscheidung zugrunde legen, wenn es einen Beweisantrag wegen rechtlicher Unerheblichkeit dieser Tatsache abgelehnt hat. Wenn das Tatsachengericht einen Umstand in den Entscheidungsgründen als Indiz oder Bestätigung für die Richtigkeit einer Prognose benennt, folgt daraus hingegen nicht ohne Weiteres, dass es diesem Umstand entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen hat. 

Sachverhalt:

Das Grundstück des Klägers liegt etwa 1.000 bis 1.250 Meter von drei Windenergieanlagen entfernt. Der Kläger klagte gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für deren Bau und Betrieb. Nachdem das Verwaltungsgericht die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für unwirksam erklärte, hob das Oberverwaltungsgericht diese Entscheidung auf. Das Oberverwaltungsgericht argumentierte, dass die Genehmigung rechtmäßig sei, da es keinen ausreichenden Schutzabstand zu Wohngebieten gibt. Auch wurden keine unzumutbaren Lärm-, Schattenwurf- oder Infraschallbelastungen festgestellt. Die Revision gegen dieses Urteil wurde nicht zugelassen.

6 Windräder auf einem Feld - erneuerbare Energien und Landpachtrecht

Die Entscheidung des Gerichts:

Das Bundesverwaltungsgericht lehnte die seitens des Klägers eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ab. Das Gericht begründet dies damit, dass weder eine grundsätzliche Bedeutung des Falles noch ein Verfahrensmangel vorliegt, die eine Revision rechtfertigen würden. Es bestätigt damit die Entscheidung des OVG Koblenz vom 31.03.2021, Az: 1 A 10858/20).

Die Gerichte stellten fest, dass die drei umstrittenen Windenergieanlagen zusammen mit den 16 bereits bestehenden Anlagen eine Windfarm von insgesamt 19 Anlagen bildeten. Somit wurde die Schwelle von 20 oder mehr Anlagen, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erfordern würde, nicht erreicht. Geplante Anlagen wurden nicht berücksichtigt, da sie zum Zeitpunkt der Genehmigung nicht ausreichend konkretisiert waren.

Weiterhin kamen die Gerichte zu dem Schluss, dass die nächtlichen Immissionsrichtwerte von 45 dB(A) am Wohnhaus des Klägers auch bei Berücksichtigung der vom Kläger angeführten Einwände eingehalten wurden. Es stützte sich dabei auf die gutachterlichen Stellungnahmen des TÜV Nord. Die Einwände des Klägers waren nicht ausreichend, um die Gutachten infrage zu stellen. Die vom Kläger geforderte Anwendung des „Interimsverfahrens“ wurde als nicht entscheidungsrelevant erachtet.

Schließlich verneinten die Gerichte auch eine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung der Windenergieanlagen auf das Wohnhaus des Klägers. Hierbei wurden Aspekte wie Topografie, Bewuchs und der Blickwinkel des scharfen Sehens berücksichtigt.

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